Die Digitalisierung bestimmt längst die Zukunftstrends in der Versicherungsbranche. Besonderes Potenzial hat Künstliche Intelligenz. Das ist den Entscheidern in der Branche bewusst, doch mit der Umsetzung der innovativen Technologien zögern viele noch.
Wenn Versicherer wettbewerbsfähig bleiben wollen, müssen sie Künstliche Intelligenz (KI) einsetzen. Entsprechende Investitionen gehören ganz oben auf die Agenda. Das ist das Ergebnis einer Studie des IT-Dienstleisters Adesso, der ein Stimmungsbild bei Entscheidern im Versicherungswesen erhoben hat. Das Unternehmen untersuchte in der Studie den KI-Status-quo in der Branche – in Bezug auf Pläne, Projekte und Anwendungen. „Ich bin davon überzeugt: Die Versicherungswirtschaft kann sich dank Künstlicher Intelligenz als einer der Schlüsselspieler der digitalen Transformation positionieren“, urteilt Stefan Riedel, Vorstandsmitglied von Adesso.
Das große Anwendungspotenzial von KI zeichnet sich in der Versicherungsbranche schon jetzt ab. KI-Algorithmen können große Datenmengen analysieren und verarbeiten. Je mehr vor allem qualitativ hochwertige Daten zur Verfügung stehen, desto präziser werden ihre Analysen und desto stärker können sie zur Wertschöpfung beitragen. Täglich eingehende Daten und eine große Bestandsdatenbank machen Versicherer zu perfekten Kandidaten, um von KI-Technologien zu profitieren, betont Riedel. „Ob Industrieanlagen, Häuser, Gesundheit, Mobilität oder Vorsorge: Versicherungen verfügen über Daten aus nahezu allen Lebensbereichen.“
Laut der Adesso-Studie automatisieren drei Viertel der befragten Versicherungsentscheider ihre Arbeitsabläufe bereits oder planen zumindest, das Thema anzugehen. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz wollen sie beispielsweise das Schadenmanagement schneller, günstiger und effizienter gestalten. Aktuell müssen Schadensachbearbeiter eingereichte Rechnungen von Kunden oft noch manuell prüfen. Eine KI-gestützte sogenannte Dunkelverarbeitung, also eine Verarbeitung ohne menschliches Zutun, beschleunigt diesen Prozess erheblich. „KI könnte beispielsweise Rechnungen automatisch analysieren und die wichtigsten Positionen extrahieren“, erklärt Ruben Wienigk, Data Scientist bei der Deutschen Rück. Ohne menschliches Zutun erkennt sie den zu zahlenden Betrag, den Empfänger und dessen Rechnungsadresse. Kunden freuen sich über eine rasche Abwicklung, Versicherer profitieren von niedrigeren Kosten.
Jedes Jahr erleiden Versicherer in Deutschland nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) rund fünf Milliarden Euro Schaden durch Betrugsdelikte. Auch bei diesem Problem kann Künstliche Intelligenz Abhilfe schaffen – zum Beispiel durch die Analyse digital eingereichter Belege oder Bilder von Schäden. Mit KI-gestützter Bildforensik lässt sich prüfen, ob ein Bild digital nachbearbeitet wurde. Ein Datenvergleichsverfahren entlarvt systematische Betrüger. Die Software durchforstet dazu die Datenbank und ermittelt beinahe in Echtzeit, ob ein Bild bereits als Beleg für vorherige Schadensfälle diente. Betrugsdelikte sind für Versicherer nicht nur mit hohen Kosten, sondern auch mit viel Arbeit verbunden. Jeder Verdachtsfall muss einer aufwendigen Einzelfallprüfung unterzogen werden. Künstliche Intelligenz kann Unstimmigkeiten identifizieren und die Arbeit des Schadensachbearbeiters erheblich erleichtern.
Noch geschieht der Einsatz von KI in der Versicherungsbranche nicht flächendeckend, zeigen die Ergebnisse der Adesso-Studie. Mehr als 70 Prozent der Befragten bewerten die KI-Aufstellung der Branche höchstens als mittelmäßig. Viele Versicherer erkennen die Chancen der neuen Technologie an, doch bringen sie nur zögerlich zur Anwendung. Die Gründe: Meist fehlt es schlicht an Fachwissen, oder Unternehmen setzen nicht die richtigen Schwerpunkte. „Man muss KI-Projekte zu Ende denken, das eigentliche KI-Modell stellt dabei nur einen kleinen Teil dar“, sagt Wienigk. Fehle etwa die Einbettung in IT-Produktivsysteme, könne durch Künstliche Intelligenz kein Mehrwert entstehen und es bliebe lediglich bei experimentellen Spielwiesen. Dennoch ist der Deutsche Rück-Datenspezialist zuversichtlich: „Mit zunehmender Erfahrung wird der KI-Einsatz für Versicherungen künftig erheblich einfacher werden.“
Dank staatlicher Förderung können sich immer mehr Menschen den Umstieg auf ein E-Auto leisten. Versicherer stehen nun vor der Herausforderung, ihre Produkte an das schnell wachsende Marktsegment anzupassen.
Noch vor wenigen Jahren war ein Tesla auf europäischen Straßen ein Blickfang – mittlerweile rollen viele der Autos durch die Städte. Nicht nur der Weltmarktführer verzeichnet in vielen Ländern Absatzrekorde. Beispiel Deutschland: Die größte europäische Volkswirtschaft ist inzwischen weltweit der zweitgrößte Markt für E-Fahrzeuge. Obwohl die Anschaffung eines Elektroautos im Durchschnitt teurer ist als der Kauf eines vergleichbaren Verbrenner-Fahrzeugs, profitieren Umsteiger in vielen Ländern von Prämien und Steuerersparnissen. Die Tendenz hoher Spritpreise könnte dem Trend zusätzlichen Aufwind geben.
Diese Veränderungen und die Besonderheiten von Stromern stellen die Kfz-Versicherer noch vor Herausforderungen – sowohl auf der Prämien- als auch auf der Schadenseite. Prinzipiell gelten zumindest in Deutschland für E-Autos dieselben Regeln wie für Verbrenner. Die Versicherungsprämie berechnet sich hierzulande aus der Regionalklasse, der Fahrleistung und der Einstufung in eine Typklasse, fasst Jörg Asmussen zusammen, Hauptgeschäftsführer des Versicherungsverbands GDV. „Werden mit einem Automodell im Durchschnitt vergleichsweise wenige Schäden und geringe Schadenkosten verursacht, erhält es eine niedrige Typklasse, bei vielen Schäden und hohen Versicherungsleistungen eine hohe.“ Aufgrund hoher Reparaturkosten und wegen teurer Ersatzteile gehören Elektroautos in höhere Typklassen. Denn laut GDV-Zahlen lag der sogenannte Schadenbedarf bei E-Autos im Zeitraum von 2017 bis 2019 um fast 50 Prozent höher als bei Verbrennern.
Doch statt einen Prämienaufschlag zu verlangen, locken viele Versicherer E-Auto-Besitzer mit Rabatten auf die rechnerisch notwendige Prämie – etwa um neue Kundengruppen zu erschließen oder sich ein nachhaltiges Image zu geben. Larissa Klick, Kraftfahrt-Spartenmanagerin bei der Deutschen Rück, hält das für riskant. „Versicherer bieten bei E-Autos und Plug-In-Hybriden teilweise Prämienabschläge von bis zu 20 Prozent an und senken die Versicherungsprämie für E-Fahrzeuge so künstlich.“ Deswegen seien viele Beiträge nicht risikoadäquat. Solange die Zahl der E-Auto-Besitzer unter den Versicherten klein ist, ist das für die Unternehmen zu verkraften. Mit einer steigenden Anzahl an Elektrofahrzeugen steigt allerdings auch das finanzielle Risiko der Versicherer, wenn Prämien das Risiko nicht abdecken.
Die Folgen lassen sich bereits in Norwegen beobachten, wo die Neuzulassungen von Stromern die von Verbrennern übersteigen. Ab dem Jahr 2025 will das Land keine Benzin- und Dieselfahrzeuge mehr zulassen. Besonders Schäden in der Kfz-Kaskoversicherung sind durch die steigende Verbreitung der Elektromobilität im Durchschnitt teurer geworden. An der norwegischen Schadenquote der Jahre 2015 bis 2018 lässt sich der Druck ablesen, der vor allem in dieser Zeitperiode auf der Kaskosparte lastete: Das Verhältnis von Schadenaufwendungen zu eingenommenen Prämien stieg von 64 auf rund 78 Prozent an. Korrelierend als möglicher Effekt aus der Schadenteuerung und der zunehmenden Verbreitung von E-Autos in Norwegen zogen die Kfz-Beiträge im Zeitraum 2018 bis 2020 um durchschnittlich 5 Prozent an. Eine ähnliche Entwicklung könnte sich in den kommenden Jahren auch in anderen Ländern zeigen.
In Bezug auf die Häufigkeit von Unfällen und Diebstählen gibt es zwischen Elektroautos und Fahrzeugen mit herkömmlichem Antrieb in Deutschland keine großen Unterschiede, zeigen Zahlen des GDV. Dennoch ist die Reparatur von E-Fahrzeugen oft kostspieliger als die von Verbrennern. Das liegt zum Beispiel an teureren Ersatzteilen. Aber auch an höheren Stundensätzen von Mechanikern – denn viele Reparaturen können nur von Mechanikern mit spezieller Ausbildung ausgeführt werden. Für Versicherungen bedeutet das künftig: Vertriebler müssen Kunden überzeugend erklären können, aus welchen Gründen die Prämien für E-Auto-Policen höher sind als die für herkömmliche Autos.
Doch selbst wenn Versicherern das gelingt und sie von E-Auto-Besitzern risikoadäquate Prämien verlangen können, werden sie noch auf viele Jahre hinaus mit einer großen Unsicherheit konfrontiert sein. Denn die Berechnung auskömmlicher Prämien erfordert eine belastbare Datengrundlage. Doch die liegt bisher nur limitiert vor – und die Situation wird sich mit zunehmender Verbreitung von E-Autos in den kommenden Jahren nur langsam verbessern. Versicherer müssen bei Stromern also noch eine Zeit lang damit leben, dass sie ihre Prämien im Vergleich zur Tarifierung von Verbrennern auf einer deutlich weniger umfangreichen Datenbasis kalkulieren – inklusive des zusätzlichen Risikos etwaiger eingeräumter Sonder-Beitragsrabatte.
„In etwa fünf Jahren haben wir ausreichende Schadendaten vorliegen“, ist sich Deutsche-Rück-Expertin Klick sicher. „Dann werden wir in der E-Auto-Regulierung und -Risikokalkulation ungefähr so weit sein wie bei Verbrenner-Fahrzeugen. Wobei das zentrale Moment die Regulierung bleibt – weil sich daraus die Erfahrungswerte für eine verlässliche Risikoeinschätzung ableiten lassen.“
Der Umstieg auf E-Mobilität läuft weltweit auf Hochtouren. Beim Tempo der Umstellung tun sich jedoch eklatante Unterschiede auf. Spitzenreiterpositionen belegen vor allem Länder, die auf staatliche Förderprogramme setzen.
Vom Hongguang Mini EV, dem meistverkauften Elektroauto in den ersten beiden Monaten 2021, hat außerhalb des asiatischen Raums kaum noch jemand etwas gehört. In China gehört das Modell hingegen zum Straßenbild. Dank günstiger Zulassungsbestimmungen und Steuervorteile ist der elektrisch betriebene Micro-SUV zu einem Preis zu haben, von dem E-Auto-Käufer im Westen nur träumen können. Auch deshalb folgen immer mehr Länder dem chinesischen Vorbild, um die Elektromobilität mit Subventionen und Kaufanreizen voranzutreiben.
Das Pariser Abkommen hat Klimaschutz verbindlich gemacht und auf die Top-Agenda aller 195 beteiligten Länder gesetzt. Bis zum Jahr 2050 soll die Europäische Union gänzlich klimaneutral werden. Um das Ziel zu erreichen, führt kein Weg am Verbrenner-Ausstieg und an der Umstellung auf E-Mobilität vorbei. Die Statistiken klingen vielversprechend: Auch während der Corona-Krise ist die Zahl der Elektroautos weltweit weiter angestiegen und hat im vergangenen Jahr erstmals die Zehn-Millionen-Marke überschritten. Allein in der ersten Jahreshälfte 2021 erhöhten sich die Verkaufszahlen noch einmal um 168 Prozent.
Gemessen an den nackten Zahlen liegt China an der globalen Spitze. Mit rund fünf Millionen E-Fahrzeugen fährt dort die Hälfte des Weltbestands. Im laufenden Jahr verzeichnete der chinesische Markt einen neuen Absatzrekord bei den sogenannten New Energy Vehicles, der Sammelbegriff für Elektroautos, Wasserstoffautos und Plug-in-Hybride: Im ersten Halbjahr wurden in China eineinhalb Millionen dieser Fahrzeuge verkauft. Durch staatliche Förderung ist es dem Land gelungen, eine enorme Nachfrage zu generieren. Käufer umweltfreundlicher Autos erhalten seit Langem Steuererleichterungen und Kaufprämien, die erst jüngst reduziert wurden. E-Autos mit einer Reichweite ab 400 Kilometer subventionierte die Regierung im Jahr 2020 aber immer noch mit bis zu 3.000 Euro. Darüber hinaus gab es erfolgreiche Bemühungen, auch bezahlbare Modelle auf den Markt zu bringen. Während die Anschaffungskosten in Europa und den USA anstiegen, haben chinesische Autobauer inzwischen E-Autos zu Niedrigpreisen von rund 3.700 Euro im Sortiment.
Hinter dem globalen Spitzenreiter China liegen im Ranking der Länder mit den meisten E-Fahrzeugen die USA. Allerdings sank dort die Zahl der Neuzulassungen von Elektroautos und Plug-in-Hybriden in den vergangenen beiden Jahren. 2020 wurden in den USA nur noch 322.400 E-Fahrzeuge neu angemeldet. Auch in Bezug auf technologische Innovation liegt China im Wettbewerb mit den USA weit vorn, obwohl Teslas Model 3 mit insgesamt über einer Million verkauften Exemplaren das meistverkaufte E-Auto der Welt ist. US-Präsident Joe Biden will nun mit 174 Milliarden Dollar für Kaufzuschüsse und Prämien den Absatz von E-Autos in den USA ankurbeln. Auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur ist im Haushaltsplan festgeschrieben.
Deutschland hat die USA zwar beim E-Auto-Bestand noch nicht eingeholt, aber immerhin bei den Neuzulassungen. Damit ist Deutschland weltweit der zweitgrößte Markt für Elektromobilität. Im vergangenen Jahr fanden fast 395.000 E-Fahrzeuge in Deutschland einen Käufer. Ein Grund für den reißenden Absatz sind staatliche Subventionen: Käufer eines Autos mit elektrischem Antrieb erhalten bis zu 9.000 Euro Förderung. Außerdem sind Umsteiger ab der Erstzulassung zehn Jahre lang von der Kraftfahrzeugsteuer befreit. Damit sich das Netz an Ladestationen verdichtet, hat die Bundesregierung Investitionen in Höhe von 300 Millionen Euro eingeplant.
Zwar haben die Deutschen zuletzt so viele Elektroautos angeschafft wie die Menschen in wenigen anderen Ländern weltweit. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl haben aber andere die Nase vorn. Nirgendwo in Europa gibt es mehr Elektroautos pro Kopf als in Norwegen. Zwar finanziert sich das Land zu großen Teilen über Erdölexporte, doch auf den eigenen Straßen geht der Anteil von Autos mit konventionellen Antrieben zurück. Im vergangenen Jahr machten die elektrischen Alternativen über die Hälfte aller verkauften Neuwagen aus. Als Klima-Vorreiter hat Norwegen frühzeitig staatliche Anreize für Elektromobilität geschaffen und Förderprogramme aufgesetzt – die ersten bereits im Jahr 1990. Heute sind Elektroautos fast gänzlich von der Kfz-Steuer befreit. Beim Kauf entfällt die Registrierungssteuer, die bei Diesel- und Benzinfahrzeugen zu zahlen ist.
Auch beim Ausbau der Ladeinfrastruktur können sich andere Länder von dem skandinavischen Land einiges abschauen. Die Norweger sind mit über 10.000 Ladesäulen gut versorgt. So kann die Regierung ambitionierte Ziele setzen: Bis 2025 plant sie, die Neuzulassung von Verbrennern komplett einzustellen. Ein Vorbild für andere Länder – in Europa und weltweit.
Deutsche Rückversicherung
Aktiengesellschaft
Hansaallee 177
40549 Düsseldorf
Telefon +49 211 4554-01
info@deutscherueck.de
www.deutscherueck.de
www.deutscherueck.com
www.drswiss.ch
Jan Stepic, Melanie Dahms, Stephanie Embach-Stein, Sven Klein
Andreas Meinhardt (verantwortlich für den Inhalt)
intellitext SprachenService
www.intellitext.de
bernauer designbüro
www.bernauer-design.de
ENORM Digital GmbH
www.enorm.digital
shutterstock.com / temp-64GTX
shutterstock.com / PopTika
123rf.com / petovarga
Veröffentlicht im Dezember 2021
Sie verwenden einen veralteten Browser, in dem diese Seite möglicherweise nicht korrekt dargestellt wird.