Angesichts des Cyberkriegs in der Ukraine nimmt auch hierzulande die Angst vor
Stunden bevor Russland die Ukraine am 24. Februar mit Raketen und Panzern angriff, hatte der Krieg an einer anderen Front bereits begonnen. Hacker hatten Websites mehrerer ukrainischer Ministerien lahmgelegt, darunter das Verteidigungsministerium. Doch nicht nur ukrainische Systeme waren betroffen. Es gab auch einen Angriff auf das Satellitensystem KA-SAT von ViaSat, in ganz Europa kam es zu Kollateralschäden. In Deutschland fielen Windräder und die Notfallkommunikation von Feuerwehren aus, Kunden eines französischen Telekommunikationsunternehmens hatten zeitweise keinen Internetzugang. Und der digitale Krieg geht weiter: Seit Ende Februar gab es so viele Attacken, dass der ukrainische Verteidigungsminister öffentlich Hacker zum Aufbau einer IT-Armee aufgerufen hat.
Cyberangriffe können verheerende Schäden anrichten – auch wirtschaftlich. Im Jahr 2021 zerstörten sie in Deutschland Vermögenswerte im Rekordwert von 223 Millionen Euro. Dennoch zeigt eine Forsa-Studie vom April 2020 im Auftrag des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft GDV: Besonders der Mittelstand hat lange nichts gegen die die Gefahren von Cyberangriffen unternommen. Bis vor zwei Jahren waren nur acht Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen gegen Cyberattacken versichert. Rund die Hälfte der 300 Befragten gab zudem an, keinen Notfallplan zu haben. Gleichzeitig ergab die Befragung, dass jedes vierte mittelständische Unternehmen bereits Opfer einer Cyberattacke geworden ist. „Viele Unternehmen reagieren auf einen Cyberangriff plan- und kopflos. Das kostet im Ernstfall viel Geld, weil es länger dauert, bis die IT-Systeme gesäubert und die Daten wiederhergestellt sind“, sagt GDV-Cyberexperte Peter Graß.
Dabei ist das Bewusstsein für das Risiko schon länger da. Bereits 2019 gaben 43 Prozent der kleinen und mittelständischen Unternehmen in einer Umfrage der Gothaer an, Angst vor Hackerangriffen zu haben. Eine aktuelle Hiscox-Studie zeigt, dass die Auswirkungen auf Unternehmen zunehmend über rein finanzielle Folgen hinausgehen. In den letzten Jahren ist einiges passiert: In der Coronakrise wurden mobiles Arbeiten und Homeoffice Alltag, eine funktionierende digitale Kommunikation ist im Wirtschaftsleben absolut unverzichtbar geworden. Der Krieg in der Ukraine schürt nun die Angst vor Hackerangriffen: Laut einer Umfrage des Branchenverbands der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche Bitkom, fürchten 76 Prozent der Menschen im Land eine Eskalation im digitalen Raum.
Cybersicherheit gilt nicht mehr als Marketing-Gag der Versicherer. „Insbesondere in den letzten zwei Jahren nehmen Versicherer eine steigende Nachfrage nach Cyber-Versicherungsschutz wahr, und Unternehmen fragen inzwischen aktiv bei ihren Versicherern nach“, bestätigt Torsten Töllner. Er ist Geschäftsführer des Cybersicherheitsdienstleisters CyCo, einem Tochterunternehmen der Deutschen Assistance Versicherung und beobachtet die Entwicklung genau. „Die Nachfrage nach Beratungsleistungen zur Cybersicherheit ist groß. Viele Unternehmen sind mittlerweile gegen Schäden durch Cyberangriffe abgesichert.“ Diese Versicherungen umfassen Schäden durch Viren, Trojaner, Datenverlust oder den Ausfall einer Website, aber auch Lösegeldforderungen mit sogenannter Ransomware, mit der Kriminelle Unternehmensdaten verschlüsseln und dann damit drohen, sie zu löschen.
Aktuell beurteilen 47 % der Cyber-Versicherer und sogar 78 % der Vermittler in Deutschland die Geschäftslage für Cyberversicherungen als (eher) stark.
2019 hatte die Mehrheit der Anbieter von Cyber-Versicherungen (68 %) die Marktlage noch als schwach bewertet.
Quelle: Instinctif Deutschland
Dr. Oliver Lamberty, Abteilungsleiter des fakultativen HUK-Geschäfts und des HUK-Spartenmanagements bei der Deutschen Rück, beobachtet eine Veränderung des Marktes. Mit der steigenden Zahl an Cyberattacken sind auch Prämien anders zu kalkulieren. „Die Schäden und die Nachfrage nach Cyber-Versicherungen steigen, was zu steigenden Prämien und teilweise engerem Deckungsumfang führt”, sagt Lamberty.
Konnten Sie feststellen, von wo aus bzw. aus welcher Region diese Handlungen vorgenommen wurden?
Auch wenn es oft schwer ist nachzuvollziehen, woher eine Cyberattacke kommt, nahmen die Angriffe aus Russland und Osteuropa im Vergleich zu 2019 zu. Angriffe aus Osteuropa kamen neun Prozent häufiger und aus Russland vier Prozent häufiger vor. Das war allerdings noch vor dem russischen Angriff auf die Ukraine.
Quelle: Bitkom Research 2021
Mittelfristig droht noch anderes Ungemach: Presseberichten zufolge weigern sich die ersten Versicherer, Angriffe russischer oder ukrainischer Hacker zu regulieren. Ihr Argument: Solche Angriffe seien Kriegshandlungen und damit vertraglich vom Schutz ausgeschlossen. Dass so ein Kriegsauschluss greift, gilt unter Experten bisher aber als eher unwahrscheinlich. Die Versicherer müssten nachweisen, dass es sich um einen staatlichen Angriff handelt, und das dürfte schwierig werden. Damit es gar nicht erst so weit kommt, sollten Unternehmen sich jetzt darauf konzentrieren, ihre Sicherheitssysteme aufzurüsten. Indizien, dass Russland seine Kampfhandlungen systematisch in den „deutschen Cyberraum“ ausweitet, können IT-Sicherheitsexperte Töllner und Deutsche-Rück-Fachmann Lamberty bisher nicht erkennen. „Das kann man aber für die Zukunft nicht ausschließen“, sagt Lamberty. „Kein Unternehmen ist zu klein und keine Privatperson zu unwichtig, um für einen Angreifer uninteressant zu sein.“ Hacker suchen das Netz ständig nach Schwachstellen ab – vollautomatisch.” Deshalb warnt er, sollte niemand darauf spekulieren, dass Cyberkriminelle ihn einfach „übersehen“.
Die Flutkatastrophe hat Deutschland im vergangenen Sommer in einen Schockzustand versetzt. Viele Menschen konnten sich nicht vorstellen, dass in der Bundesrepublik eine Naturkatastrophe mit mehr als 180 Todesopfern und derartig verheerender Zerstörung wie im Ahrtal möglich wäre. Auch Experten waren überrascht vom Ausmaß der Schäden in einer verhältnismäßig kleinen Region.
Zwar hatte es ähnliche Flutereignisse auch schon zuvor in Deutschland gegeben – etwa beim August-Hochwasser 2002 im Erzgebirge oder 2016 in Braunsbach in Baden-Württemberg. Damals wurden ebenfalls viele Häuser komplett zerstört und ganze Ortschaften verwüstet. Aber bei Unwettertief BERND erreichten die Opferzahlen und die Schäden auch an der gesamten Infrastruktur andere Dimensionen. Die versicherten Schäden stiegen auf Rekordhöhen; der Wiederaufbau der Region ist eine gewaltige Kraftanstrengung.
Es stellt sich für die Politik, aber auch für die Versicherungswirtschaft die Frage, wie man künftig mit diesem Katastrophenrisiko umgehen soll – gerade angesichts des Klimawandels, dessen Auswirkungen inzwischen mit immer extremeren Wetterereignissen nicht nur in Deutschland zu spüren sind. So bedeuten etwa höhere Durchschnittstemperaturen eine höhere Luftfeuchtigkeit, wodurch die Gefahr von sehr intensiven Regenfällen steigt, wie sie für die Flut im vergangenen Jahr verantwortlich waren.
BERND könnte eine ähnliche Wirkung wie die Hamburger Sturmflut aus dem Jahr 1962 haben und zu einem Umdenken der Politik führen. Damals wurden nach dem Schockmoment in einer gewaltigen finanziellen Kraftanstrengung der Hochwasserschutz an der deutschen Nordseeküste massiv ausgebaut und der Katastrophenschutz neu organisiert. Heute geht es zum einen darum, wie man die Orte im Ahrtal wiederaufbauen soll, um für die Zukunft gegen solche Katastrophen besser gewappnet zu sein. Zum anderen geht es aber insgesamt darum, wie man neben vermehrten Anstrengungen für den Klimaschutz dafür sorgen kann, Deutschland grundsätzlich resilienter gegen vermehrte Extremwettereignisse im Zug des Klimawandels zu machen.
Gefährlich wäre es, wenn die Politik nach dem Schockmoment der Flutkatastrophe, die so viele Menschenleben forderte, wie schon so oft in der Vergangenheit wieder in alte Verhaltensmuster zurückfallen und mit einer Menge Geld zwar zumindest die materiellen Verluste der Flutopfer auffangen würde, ohne allerdings beim Umgang mit dem Risiko tatsächlich umzusteuern. Der Staat sollte endlich eine aktive Rolle bei der Verbesserung des Hochwasserschutzes spielen und entsprechende Regeln etwa zur Bebauung in Risikogebieten auch wirklich umsetzen. Außerdem muss die Politik das grundlegende Problem „Wiederaufbau von zerstörten Häusern in Risikogebieten“ lösen. Hier stellt sich dann auch die Frage, inwieweit bei einem Wiederaufbau an Ort und Stelle im Ahrtal noch die Versicherbarkeit dieser Häuser zu gewährleisten ist.
Foto links
Wie hier das Eifelstädtchen Dernau im Landkreis Ahrweiler (Rheinland-Pfalz) wurden Ortschaften nahezu komplett geflutet.
Foto rechts
Ein Bild ging um die Welt: Der Wassereinbruch in einer Kiesgrube bei Erftstadt-Blessem (südwestlich von Köln, Nordrhein-Westfalen) riss ganze Häuser in einen riesigen Erdkrater.
Foto links
Wie hier das Eifelstädtchen Dernau im Landkreis Ahrweiler (Rheinland-Pfalz) wurden Ortschaften nahezu komplett geflutet.
Foto rechts
Ein Bild ging um die Welt: Der Wassereinbruch in einer Kiesgrube bei Erftstadt-Blessem (südwestlich von Köln, Nordrhein-Westfalen) riss ganze Häuser in einen riesigen Erdkrater.
Der Versicherungswirtschaft fällt, anders als bei der Sturmflut 1962, eine wichtige Rolle als privater Träger der Naturgefahren-Risiken zu. Und sie selbst muss darüber nachdenken, ob ihre bisherige Bewertung der Risikosituation angesichts der Erfahrungen mit BERND noch angemessen ist und welche Rolle sie künftig bei der Risikoübernahme und bei der Verbesserung der Prävention spielen soll.
Der Umgang der Politik mit Naturgefahren bestimmt dabei ganz wesentlich auch den Umgang der Versicherungswirtschaft mit dieser Herausforderung. Privatwirtschaftlich werden etwa künftig Flutrisiken in gefährdeten Gebieten nur noch dann abzusichern sein, wenn die Politik die entsprechenden Maßnahmen ergreift. „Business as usual“ ist deshalb auch für die Versicherer nach dem BERND-Schock nicht empfehlenswert.
Zwar hat ihr System der Risikoübernahme und der Weitergabe an die Rückversicherer funktioniert. Trotz der rekordhohen Schadenzahlungen ist kein Anbieter in Schieflage geraten, und die Versicherungswirtschaft hat mit den Leistungen an die Flutopfer in der Öffentlichkeit eindrucksvoll ihre Rolle und Verantwortung demonstriert.
Aber jedem ist klar: Eine Katastrophe wie im Ahrtal kann sich auch in etlichen anderen Regionen Deutschlands wiederholen, denn vielerorts gibt es enge Flusstäler. Deshalb ist beispielsweise zu prüfen, ob das Flutrisiko nach dem ZÜRS-System künftig neu zu bewerten ist. Außerdem sollten die Versicherer ihr Risiko-Know-how nutzen und in der Öffentlichkeit stärker auf die Gefahren von solchen Naturgefahren-Ereignissen hinweisen. In der aktuellen Debatte um den Weg zu mehr Nachhaltigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft können sie damit eine wichtige Rolle spielen und mit harten Fakten die Folgen des Nichthandelns vor Augen führen.
Die Versicherer müssen klarmachen, dass sie derartige elementare Risiken grundsätzlich weiter versichern können – wenn denn die von der Politik vorgegebenen Rahmenbedingungen zur Stärkung der Resilienz stimmen. Auch jenseits der regelmäßig wiederkehrenden Debatte um eine Pflichtversicherung bleibt dies das zentrale Kriterium für den Umgang mit Naturgefahren. Eine kluge Politik der wirkungsvollen Präventionsmaßnahmen rettet nicht nur Menschenleben und bewahrt vor Milliardenschäden, sondern sie ermöglicht, dass diese Risiken wie bisher über Versicherungen im Kollektiv getragen werden können.
Die Wertermittlung von Gebäudebeständen ist heute dank neuer Technologien einfacher, präziser und verläuft effizienter. 3D-Gebäudedaten plus Satellitenbilder helfen Erstversicherern, passgenaue Policen anzubieten. Auch den neuen Anforderungen an den Klimaschutz wird Rechnung getragen.
Kronshagen in Schleswig-Holstein. Die Gemeinde am westlichen Stadtrand von Kiel kommt auf rund 12.000 Einwohner. Hans-Hermann Lahrs wohnt hier mit seiner Frau Gertrud seit einer halben Ewigkeit, sie besitzen ein Einfamilienhaus. In ihrer regionalen Zeitung lasen beide von einer möglichen Unterversicherung vieler deutscher Gebäude, sie kamen kurzzeitig ins Grübeln. Denn über die Jahre haben sie immer wieder an ihrem Haus Veränderungen vorgenommen, der Wert ihrer Immobilie ist dadurch gestiegen. Eine Mitteilung an den Gebäudeversicherer oder gar eine Anpassung des Versicherungsvertrags erfolgte allerdings nicht. Stimmen Versicherungssumme und der tatsächliche Versicherungswert der versicherten Immobilie nicht überein, besteht eine Unterversicherung. Im Schadenfall hat das finanzielle Folgen.
Die Lahrs sind kein Einzelfall. „Viele Versicherungsnehmer versäumen es, ihren Versicherer über wertsteigernde An- oder Umbauten zu informieren. Dies hat zur Folge, dass eine Neubewertung der Versicherungssumme oder erforderliche Anpassungen des Versicherungsschutzes nicht vorgenommen werden“, sagt Daniel Hernandez, Underwriter Fakultativ Sach bei der Deutschen Rück. „Das führt dazu, dass der Erstversicherer unter Umständen für ganze Gebäudebestände keine risikoadäquaten Prämien erhält – für ihn also ein Prämien- und Tarifierungsrisiko – und letztlich auch ungenutztes Potenzial an Wertschöpfung“, sagt Hernandez. „Deshalb sollten Versicherer Wohngebäudeverträge, die lange nicht angepasst worden sind, proaktiv in einem Bestandsmanagementprozess bearbeiten.“
Im Zuge des digitalen Wandels bieten neue Technologien Versicherern nun die Chance, dieses Tarifierungsrisiko präzise zu ermitteln und im nächsten Schritt Deckungslücken für ihre Kunden zu schließen. Für ein ganzes Portfolio, das innerhalb verschiedener Dekaden gebaut wurde, lässt sich über eine kosteneffiziente Massenverarbeitung eine Wertanalyse durchführen. Marktführer auf dem Gebiet der digitalen Gebäudewertermittlung ist die SkenData GmbH. Das Rostocker Unternehmen ermittelt und aggregiert zu den Adressdaten des Versicherers die dazugehörigen Satellitendaten – also amtliche Luftbilder –, aktuelle Daten von Baubehörden, bspw. von Katasterämtern, und Open Source-Geodaten, zum Beispiel von OpenStreetMap.
Mit diesen Daten, die für über 51 Millionen Gebäude in Deutschland und für 3,8 Millionen Gebäude in Österreich vorliegen, wird ein digitaler Zwilling als realitätsnahes Abbild der Gebäudelandschaft geschaffen und die Gebäudewerte automatisiert ermittelt. Dazu prüft ein auf Künstliche Intelligenz gestützter Prozess, wie ein Gebäude beschaffen ist, etwa ob die Photovoltaikanlage wirklich auf dem Dach ist – oder nicht. „Danach werden die vier standardisierten Wertermittlungsverfahren herangezogen, die auf dem Markt vorhanden sind“, sagt SkenData-CEO Sven Jantzen. Jedes Verfahren errechne aufgrund der unterschiedlichen Gewichtung der zugrundeliegenden Kriterien einen anderen Wert. Die Summe der vier Werte ergeben dann den endgültigen Wert. Am Ende ermittelt das Programm jeweils einen Versicherungswert und einen regionalisierten Versicherungswert zum Wertermittlungsstichtag.
Der Technik-Quantensprung erlaubt es den Versicherern, Objekte nicht unbedingt zeit- und kostenintensiv vor Ort inspizieren zu müssen. Das erledigt das Gebäudewertermittlungs-Tool. „Ein Versicherungsberater hat für ein Kundengespräch rund 20 Minuten Zeit. Die möchte er nicht mit dem Ausfüllen eines siebenseitigen Wertermittlungsbogens verbringen. Das führt zu Fehlern und Zeitdruck“, so Jantzen.
„Die Technologien bieten also einen großen Mehrwert, und zwar in mehrerlei Hinsicht“, sagt Daniel Hernandez, „denn Versicherer können nicht nur ganze Wohngebäudebestände in kürzester Zeit bewerten lassen und ihre Exponierung präzise einschätzen. On top kommt auch, dass SkenData über eine direkte Schnittstelle zu ZÜRS Geo, dem Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen des GDV, verfügt.“ Damit lässt sich für die Adressen auch die ZÜRS-Gefährdungsklasse automatisch mitbestimmen. Eine separate Bestimmung der Gefährdungsklasse über ZÜRS Geo entfällt damit. Das ist ein nicht zu unterschätzender Synergieeffekt, denn deutschlandweit sind laut GDV mehr als die Hälfte der Gebäude nicht gegen Naturgefahren wie Hochwasser und Starkregen versichert. „Eine perfekte Ausgangslage für Versicherer also, um beispielsweise über Bestandsaktionen die Versicherungssummen und auch den Versicherungsschutz anzupassen“, so Hernandez.
Mit Blick auf die Zukunft wird die Nutzung der wegweisenden Technologie auch durch den Druck angefeuert, die deutschen und europäischen Klimaschutzziele zu erreichen. „Die bereits vorhandenen Gebäudedaten sind neben der Wertermittlung auch dazu nutzbar, ESG-Risiken zu bestimmen“, sagt Jantzen. Schon heute ermittle sein Unternehmen drei wichtige Merkmale: die CO2-Emission, den Primärenergiebedarf und die Energieeffizienzklasse. „Dass die neue Technik also schneller auf Basis der vorhandenen Daten den CO2-Fussabdruck ermitteln kann, bietet für Versicherer also zusätzlich Potenzial, denn beim Zeichnen von Risiken werden sie schließlich künftig auch stärker auf ESG-Aspekte achten“, sagt Hernandez.
Gebäude machen in Europa 30 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes aus. Experten wie Hernandez und Jantzen wissen, dass der Druck entsprechend hoch ist: Der Versicherungssektor unterstützt aktiv die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens. Um diese zu erreichen, haben sich deutsche Versicherer im Rahmen der Nachhaltigkeitspositionierung des GDV entsprechend eigene Ziele gesetzt.
Die Corona-Pandemie hat die weltweite Versicherungsindustrie hart getroffen und das mutierende Virus macht langfristige Einschätzungen weiterhin schwierig. Die Deutsche Rück hat dazu nun eine eigene Studie erstellt und die Risiken für Lebensversicherer bewertet. Studienautor Florian Stanlein erklärt die Ergebnisse.
Immer neue Virusvarianten, Lockdowns in verschiedenen Ländern und unterbrochene Lieferketten: Die Corona-Pandemie hält die Welt in Atem. Auch Versicherer stehen vor besonderen Herausforderungen. Einer Studie des Versicherungsmaklers Howden zufolge ist die COVID-19-Pandemie schon jetzt mit rund 39 Milliarden Euro der drittgrößte Versicherungsschaden aller Zeiten – und die Pandemie ist noch lange nicht überwunden. Nur Hurrikan KATRINA im Jahr 2005 und die Angriffe auf das World-Trade-Center im Jahr 2001 kamen bislang Versicherer weltweit noch teurer. Soweit der Blick in den Rückspiegel. Wie aber können Versicherer in einer Pandemie Schadensrisiken für die Zukunft realistisch kalkulieren?
Erste Antworten liefert eine Studie der Deutschen Rück, die eine Risikoeinschätzung für Lebensversicherer vornimmt. Es gibt zwar Pandemiemodelle, aber in der Realität müssen hierfür andere Parameter eingesetzt werden als angenommen. „Für Versicherer ist es dabei besonders wichtig, das neue Risikopotential richtig einzuschätzen”, sagt Florian Stanlein, Aktuar im Bereich Leben/Kranken bei der Deutschen Rück und Autor der Studie. Das Problem: „In den öffentlichen Zahlen unterlag insbesondere das Testen auf das neuartige Corona-Virus nie gleichen Bedingungen.“
In der Studie haben seine Kollegen und er sich deshalb nicht mit den offiziellen Fallzahlen zufriedengegeben. Die Aktuare der Deutschen Rück haben zwei verschiedene Schätzer entwickelt, um die Daten zu bereinigen und herauszurechnen, dass nicht immer gleich viel auf COVID-19 getestet worden ist. Im Ergebnis konnten sie das Gefahrenpotenzial des Virus genauer bestimmen. Der erste Schätzer basiert auf der Quote der Corona-Infizierten ohne Symptome (Symptomlosenquote), der zweite Schätzer auf dem prozentualen Anteil aller Corona-Tests mit positivem Ergebnis (Positivenrate, siehe Grafik). Vor allem, wenn viele Tests verfügbar sind und auch Menschen ohne Symptome sich regelmäßig testen lassen, ist eine hohe Quote positiver Ergebnisse ein guter Indikator für hohe Infektionsraten. „Diese Schätzer sind bewusst einfach gewählt und somit auch fehlerbehaftet, bieten aber ein realistischeres Bild als die offiziellen Fallzahlen. Außerdem werden die Zahlen im zeitlichen Verlauf vergleichbar“, ist Stanlein überzeugt.
Das Robert-Koch-Institut gibt die 7‑Tage‑Inzidenz heraus. Sie zeigt die offiziell gemeldeten, positiven Corona‑Tests pro Woche und 100.000 Einwohner (Rohinzidenz). Verlaufen viele Infektionen symptomlos, wurde offensichtlich umfangreich getestet und wurden Infektionen aufgedeckt, die sonst wegen mangelnden Verdachts auf eine Infektion unentdeckt geblieben wären. Eine hohe Symptomlosenquote bedeutet also eine niedrige Dunkelziffer bei der Inzidenz. Eine andere Möglichkeit, eine Dunkelziffer bei den Infektionen zu ermitteln, ist unter anderem die Positivenrate heranzuziehen. Diese Quote ist in der Omikron-Welle massiv gestiegen und lag zuletzt bei über 50 %. Das macht sich in der viel höheren Dunkelziffer bemerkbar.
Neben der Bereinigung der Fallzahlen haben sich Stanlein und seine Kollegen auch verschiedene Zeiträume angeschaut, um die unterschiedlichen Virusvarianten zu untersuchen – und welchen Effekt die Impfung hatte. Die Studie betrachtet die Letalität, also den Anteil aller Erkrankten, die an verschiedenen Varianten des Virus der Pandemie starben (siehe Grafik). „Das ist für die Versicherungswirtschaft hoch interessant, die das tatsächliche Gefahrenpotential des Virus abschätzen möchte“, erläutert Stanlein. Hier zeigt sich der Unterschied zwischen der gefährlicheren Alpha- und der ansteckenderen, aber weniger letalen Omikron-Variante. „Des Weiteren sehen wir mit einer fortschreitenden Impfkampagne eine Abkopplung der Todesfallzahlen und Hospitalisierungen von der Inzidenz“, sagt Stanlein. „Das spricht für die Impfung, die hiermit nachweislich Todesfälle und Hospitalisierungen verhindert.“
Diese Grafik zeigt die Letalitätsrate der unterschiedlichen Virusvarianten für unterschiedliche Altersgruppen, wenn die Daten um die Testaktivität bereinigt sind. Hier wurde der Schätzer basierend auf der Positivenquote zugrunde gelegt. Der Effekt der Impfung wurde nicht herausgerechnet.
Für Erst- und Rückversicherer sind diese realistischeren Zahlen wichtig, um künftige Leistungsansprüche abschätzen zu können. „Die Corona-Pandemie bewirkt in der Bevölkerung ein erhöhtes Todesfallrisiko und aufgrund von Long-COVID auch ein erhöhtes Berufsunfähigkeitsrisiko“, erläutert Stanlein. „Bei diesen beiden versicherten Risiken ist anzunehmen, dass die Pandemie hier mehr Leistungsfälle verursacht." Vor allem Leben-Rückversicherer, die häufig keine Rentenversicherungen rückversichern, müssen genau hinschauen: „Wenn ein Unternehmen im Wesentlichen nur diese beiden Risiken absichert, ist es besonders betroffen“, erklärt er. Während bei den versicherten Risiken Tod und Invalidität höhere Leistungsausgaben erwartet werden, ist bei den Erlebensfallversicherungen mit dem gegenteiligen Effekt zu rechnen. Denn wenn mehr Versicherte frühzeitig versterben, führt dies dazu, dass Versicherer etwa Rentenzahlungen an sie einstellen können. Im Rückversicherungsbestand der Deutschen Rück zeigt sich bisher nur eine leichte Übersterblichkeit im Pandemiejahr 2020.
Auch in der Berufsunfähigkeit zeigt die Pandemie erste Auswirkungen. „Wir sehen erste Leistungsfälle durch Long-COVID“, sagt Stanlein. Auch wenn es intern zu einigen Verschiebungen in den Ergebnissen kommen kann, schätzt er die gesamten Auswirkungen dieser Pandemie auf die Lebensversicherung als gering ein. „Starke Übersterblichkeiten sind erst in höheren Altersgruppen zu beobachten und Absicherungen dieser Risiken gehen meist nicht sehr weit über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus.“ Ein Effekt ist noch unklar: Durch die Pandemie mussten Krankenhäuser viele elektive Behandlungen und Operationen aufschieben, wenn das Leben der Patienten nicht akut bedroht war. Das könnte sich langfristig negativ auswirken, weil zum Beispiel Krebsleiden zu spät behandelt werden.
Aus dem bislang äußerst dynamischen Pandemiegeschehen können sich auch künftig weitere Virusvarianten entwickeln, die eine Neueinschätzung der Situation erforderlich machen. Die Deutsche Rück wird die Situation weiter beobachten.
Diese Grafik zeigt den Zusammenhang der unterschiedlichen vorherrschenden Virus-Varianten sowie den Effekt der Impfung.
2020: Wildtyp des Virus trifft auf ungeimpfte Bevölkerung.
KW 10-21 in 2021: Alpha-Variante, die sich trotz erster Impfungen in Bezug auf Letalität und Hospitalisierung deutlich schlimmer auswirkte.
KW 28-49 in 2021: Delta-Variante, die auf eine größtenteils geimpfte Bevölkerung trifft, insbesondere in den hohen Altersgruppen.
Seit KW 2 in 2022 ist die Omikron-Variante vorherrschend, die milder verläuft und gemeinsam mit der Booster-Kampagne etwas aufatmen lässt, da Hospitalisierung und Sterblichkeit deutlich zurückgehen.
Deutsche Rückversicherung
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Veröffentlicht im Juni 2022
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